Zugegeben: Dieser Text entsteht erst Monate, nachdem ich den Abschnitt gegangen bin, über den ich hier schreibe. Vielleicht konnte er auch erst jetzt entstehen – nachdem ich den linksrheinischen Teil des Projektes ganz abgeschlossen habe, bis hinauf zur niederländischen Grenze. Es geht um das Stück zwischen Homberg und Orsoy, vorbei an Moers, Homberg und Baerl. Für mich ist es ein besonders persönlicher Abschnitt, eng verbunden mit Kindheit und Jugend, mit schönen Spaziergängen, aber auch mit ein, zwei schwierigen Momenten, die sich in meine Erinnerung eingegraben haben.

Erinnerungen sind schwer festzuhalten. Sie hängen an Bildern – manchmal an alten Fotos, manchmal an inneren Bildern, die sich mit der Zeit verändern. Ein Beispiel dafür ist die Neuenkamper Autobahnbrücke der A40 über den Rhein. 1972 wurde sie eingeweiht. Mein Vater hat das damals fotografiert. Diese Brücke gibt es schon nicht mehr; an ihrer Stelle wächst nun ein Neubau empor, silber-weiß glänzend, wo früher dunkelgraue Pylone mit gelben Schrägseilen standen.

Ein Stück rheinabwärts erhebt sich das „Geleucht“ auf der Halde Rheinpreußen, heute eins der Wahrzeichen von Moers. Die rote Grubenlampe auf der Spitze ist weithin sichtbar und macht deutlich, wie der Bergbau, der auch am linken Niederrhein tiefe Spuren hinterlassen hat, eine neue Rolle gefunden hat: nicht mehr Arbeitsplatz, sondern Denkmal, Landmarke und Aussichtspunkt, eingebettet in ein Naherholungsgebiet.

Dazu kommen die Brücken: die A42 und die benachbarte Eisenbahnbrücke, jünger als die alten Übergänge z.B in Rheinhausen, Zeugen von Industrialisierung und Nordverlagerung. Hier beginnt zugleich der ländlicher geprägte Niederrhein. Auf der einen Seite liegen Wiesen und Felder, auf der anderen Seite die Anlagen von ThyssenKrupp, Kokereien mit ihren Dampfwolken vom Löschen des Koks, die bis heute das Bild prägen.

Gerade dieser Kontrast – Gleichzeitigkeit und Ungleichzeitigkeit von Industrie und Landwirtschaft – macht den Reiz dieses Abschnitts aus. Deshalb gibt es hier Aufnahmen, die nicht nur an Kilometersteinen entstanden sind. Manchmal lagen die hier wichtigen Motive zwischen den Steinen: Landschaften, die das Nebeneinander von Wandel und Erinnerung greifbar machen.